Anhörung Sparkassen

Veröffentlicht am 12.09.2008 in Landespolitik

Chancen und Risiken des Sparkassengesetzes - Anhörung

"Wenn man angesichts der ungesicherten Lage der WestLB und der offenen Frage der Entwicklung der Finanzstrukturen in Deutschland und darüber hinaus einen wesentlichen Pfeiler des Finanzplatzes Deutschland reformieren will, und das auch noch gegen den Willen der Betroffenen, dann ist das ein Wagnis."

Mit dieser Aussage umschrieb der Vertreter der Industrie- und Handelskammern NRW, Hans Georg Crone Erdmann, die Anhörung von Sachverständigen mit Blick auf das sogenannte "Sparkassengesetz". Zwar ließen CDU und FDP auf der einen sowie SPD und Grüne auf der anderen Seite durch ihre Fragen ihre jeweils unterschiedlichen Bewertungen des Gesetzentwurfs erkennen: Die Experten analysierten aber - aus ihrer jeweiligen Sichtweise - die Vorteile, aber auch die Gefahren und Risiken des Vorhabens.

Die erste Fragerunde der Generalaussprache ging gleich auf die zentralen Elemente der aktuellen Diskussion ein:

Inwiefern ist dieser Gesetzentwurf vor dem Hintergrund der aktuellen Äußerungen der Wettbewerbskommissarin Kroes zu sehen (Gisela Walsken, SPD)? Bietet das Gesetz eine zukunftsorientierte Sicherheit für ein flächendeckendes Sparkassenwesen (Volkmar Klein, CDU)? Wird durch einen gesetzlich vorgeschriebenen Verbund die Krise der WestLB nicht auf die Sparkassen übertragen (Hans-Willi Körfges SPD)? Könnte es so aussehen, dass zumindest einige große Sparkassen durch die WestLB übernommen werden (Horst Becker, Grüne)? Welche Chancen sehen Sie, sich gegen die EU durchzusetzen (Rüdiger Sagel, fraktionslos)? Ist es verantwortbar, Mutmaßungen über die Schließung von Geschäftsstellen und Stellenstreichungen anzustellen (Christian Weisbrich, CDU)?

Allen voran antworteten die Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverband, Dr. Rolf Gerlach, sowie des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands, Michael Breuer. Die Sparkasse sei ein Instrument der Daseinsvorsorge, getragen durch die Kommunen. Diese Einheit und die sich daraus ergebende Zielsetzung solle nicht aufgelöst werden. Die Sparkassen hätten einen öffentlichen Auftrag, arbeiteten in erster Linie eben nicht gewinnorientiert, sondern gemeinwohlorientiert. Die Bilanz von Sparkassen ginge über die Zahlen in der Bilanz hinaus: hinzuzurechnen sei ihr kommunales Engagement in Bildung, Erziehung, Kultur, Sport, Wirtschaftsförderung etc.. Dies müsse sich in der Regelung der Ausschüttung der Erträge auch weiterhin widerspiegeln.

Hinsichtlich der aktuellen Bankenkrise verwiesen die Verbandspräsidenten darauf, dass die Sparkassen angesichts der nicht nennenswerten Beteiligungen im krisengeschüttelten amerikanischen Immobiliensektor nicht von der Krise betroffen seien, sondern stattdessen eine stabilisierende Rolle gespielt hätten.

Für eine zukunftsorientierte Ausrichtung dieses lebens- und leistungsfähigen kommunalen Instruments sei es notwendig, wenn das bestehende Gesetz in einigen Punkten an veränderte EU-Regelungen angepasst werde. Dies bedeute allerdings nicht, dass ein Systemwechsel eingeläutet werden müsse. Da einige Regelungen des neuen Gesetzes so ausgelegt werden könnten, trage dies nicht zur gewollten langfristigen Stabilisierung bei. In diesem Zusammenhang verwiesen Breuer und Gerlach darauf, dass die jüngsten Äußerungen der europäischen Wettbewerbskommissarin Kroes, von Bundes- und Landesregierung richtigerweise als "befremdlich" und "unverständlich" zurückgewiesen worden seien. Kroes bewege sich mit ihrer Zielsetzung, das deutsche Sparkassenwesen grundlegend in Richtung Privatisierung und Wettbewerb zu verändern, deutlich außerhalb der Kompetenz der EU; von daher solle man ruhig abwarten, wie sie denn die Brücke vom Beihilfeverfahren gegen die WestLB mit diesem Ansinnen verbinden wolle.

Insbesondere wandten sich die Vertreter der Sparkassenverbände gegen einen gesetzlich vorgeschriebenen Verbund mit der WestLB. Dies bedeute angesichts der ungewissen Zukunft der WestLB auch eine Verunsicherung des Sparkassenwesens. Außerdem sei ja unklar, wem die WestLB denn nächstes Jahr gehöre; möglicherweise ja auch einem privaten Investor, der auf diese Weise dann Einfluss nehmen könne auf die Sparkassen. Jedenfalls sei auch keine Absicht weder der Sparkassen noch ihrer Träger festzustellen, sich in Filialen der WestLB umzuwandeln.

Positiv äußerten sich Gerlach und Breuer zu den Fortschritten, die derzeit hinsichtlich eines freiwilligen Verbunds der beiden Sparkassenverbände erarbeitet würden; auch angesichts dieser positiven Entwicklung sei eine gesetzliche Regelung entbehrlich.

Dass das Sparkassengesetz - zum Beispiel über den genannten gesetzlich vorgeschriebenen Verbund mit einer zum Teil privatisierten WestLB - eine Abkehr vom bisherigen Gemeinwohlprinzip hin zur Gewinnmaximierung bedeuten könne, stellten insbesondere die Vertreter von DGB-NRW, Guntram Schneider, als auch Ver.di-NRW, Hans-Ullrich Mühlhan, dar. In Übereinstimmung mit den Präsidenten der Sparkassenverbände erklärten sie, dies könne am Ende auch den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten. Vehement forderten die Gewerkschafter, die flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürgern mit erschwinglichen Girokonten als Teil des öffentlichen Auftrags sicherzustellen.

Die zweite Fragerunde konzentrierte sich auf dann auf einige Einzelaspekte.

Welche Rolle spielt die Beteiligung des Landes an der WestLB für die kommende Entscheidung aus Brüssel (Christian Weisbrich, CDU)? Dient der Gesetzentwurf der Transparenz? Was ist davon zu halten, angesichts des schwebenden Verfahrens gegen die WestLB das Verfahren auszusetzen (Hans-Willi Körfges, SPD)?

Inwiefern könnte sich ein Verbund auf die Finanzierung von Mittelstand und Handwerk auswirken (Harald Schartau, SPD)? Weshalb wehren sich die Eigentümer dagegen, dass wir ihre Eigentümerrechte stärken (Dr. Gerhard Papke, FDP)? Welche Auswirkungen hat der Gesetzentwurf auf die Versorgung aller Teile der Bevölkerung mit (Giro)Konten (Horst Becker, Grüne)? Wie ist der Entwurf im Vergleich mit den Veränderungen in anderen Bundesländern zu bewerten (Christian Möbius, CDU)?

Einerseits stellte Gerlach klar, dass die Eigentumsverhältnisse an der WestLB und die Aufteilung der Verantwortung an der Absicherung durchaus einen Einfluss habe auf das laufende Beihilfeverfahren. Andererseits erklärten die geladenen Rechtsexperten, es gäbe keinen europäischen Zwang zu einer möglichen Privatisierung der Sparkassen. Daher auch die Einschätzung, dass es hilfreich sein könnte, erst einmal die Entscheidung aus Brüssel in Sachen WestLB abzuwarten. Die neuen Regelungen in Rheinland-Pfalz hätten keine positiven Auswirkungen gehabt.

Die Vertreter der Kommunen und kommunalen Verbände erläuterten ihre Position, dass sie sehr wohl Interesse an einem Gesetz hätten, das auch gegenüber der "feindlichen Beobachtung aus Brüssel" die Sparkasse als flächendeckendes Finanzdienstleistungsunternehmen auf Dauer absichert. Den vorliegenden Entwurf sehen sie allerdings als "trojanisches Pferd", das geeignet sei, die Sparkassen vor allem durch die EU noch angreifbarer zu machen. Gegen diese Risiken träten die neuen Freiheiten daher zurück. Außerdem sei fraglich, ob er wirklich ein "Mehr" an Transparenz bringe. Die Vertreter von IHK und Handwerkstag wandten sich gegen die Auflockerung der Ausschüttungsregelungen, da dies das Ende der Sonderrolle der Sparkassen im sozialen, wirtschaftsfördernden, gemeinnützigen Bereich bedeuten könne. Das Sparkassengesetz dürfe freiwillige Möglichkeiten nicht durch staatliche Regelungen ersetzen, es müsse dem Bürger etwas bringen und die dauerhafte Einordnung der Sparkassen in das Wirtschaftsmodell der Sozialen Marktwirtschaft sicherstellen.

Quelle: Landtag NRW

 
 

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