Kommentar: Wegsehen und Verharmlosen

Veröffentlicht am 23.11.2020 in Allgemein

Hattet ihr schon mal Angst alleine im Dunkeln? Zum Beispiel vor einem sexuellen Übergriff? Wurde euch schon mal auf der Straße hinterhergepfiffen? Habt ihr schon mal Kleidung nicht angezogen, aus Angst, diese wäre „zu freizügig“? Die meisten Mädchen und Frauen können mindestens eine dieser Fragen mit „Ja“ beantworten.

 

Von  Janine Schulze

 

All dies und noch mehr sind Facetten von Gewalt, in diesem Falle sexualisierter Gewalt. Sexualisierte Gewalt hat, genau wie jegliche andere Gewalt, viele Gesichter. Und diese Gewalt ist allgegenwärtig, wenn jede dritte Frau in Deutschland angibt, einmal im Leben Opfer von körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt gewesen zu sein. Dann ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir alle in unserem persönlichen Umfeld Betroffene haben, ziemlich groß, sei es in der Familie im Freundeskreis oder unter Kollegen. Und damit ist es auch ein Problem, das uns alle angeht. Am heutigen Tag wird dieses Thema häufig angesprochen. Heute ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Traurig, dass es diesen Tag überhaupt geben muss. Und noch trauriger, dass diese Gewalt sonst wahrscheinlich
noch viel weniger Thema wäre.


Gewalt gegen Frauen – und übrigens auch gegen Männer – findet am häufigsten in den eigenen vier Wänden statt. Hinter verschlossenen Türen, kaum sichtbar. Umso mehr gehört das Thema in die Öffentlichkeit, nicht nur am internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen.


Die öffentliche Bestürzung ist groß, wenn Frauen zwangsverheiratet werden, zum Opfer von Genitalverstümmelungen werden oder gar von „Ehrenmord“ gesprochen wird. Doch Gewalt gegen Frauen fängt bereits im Kleinen an. Bis heute werden viele Ansätze von Gewalt verharmlost. „Der meint das doch nicht so“, „stell dich nicht so an“ bis hin zu „du bist doch selbst schuld an der Vergewaltigung, wenn du in diesem Outfit rausgehst.“

Es ist eine Mischung aus Ignoranz, Wegsehen und Verharmlosen, die Gewalt gegen Frauen nach wie vor legitimiert. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 301 Frauen von ihren Partnern umgebracht. Im Schnitt also an jedem dritten Tag eine Tote. Und das mitten in Deutschland.


Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention 2018 ist Deutschland verpflichtet das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen entschieden anzugehen. Sie verpflichtet Deutschland, umfassende Maßnahmen zur Prävention, zur Intervention, zum Schutz und zu rechtlichen Sanktionen gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu ergreifen. Dieser Verpflichtung kommt das Land nach. So wird beispielsweise das „Upskirting“, das heimliche Fotografieren unter den Rock, seit diesem Jahr als Straftat geahndet.


Dennoch sind wird erst am Anfang. Geschlechterbezogene Gewalt ist noch immer weitestgehend ein Tabuthema. Das darf es nicht länger sein. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist nicht nur eine Frage nach Gesetzen. Sie ist auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle dazu auffordert, etwas zu tun. Wegschauen ist keine Option. Es geht uns alle an.

 
 

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