Der Koalitionsvertrag - Europapolitik auf dem Prüfstand

Veröffentlicht am 28.02.2018 in Europa

Für mich ist das Verständnis von Europa ein entscheidender Punkt gewesen, warum ich im Dezember in die SPD eingetreten bin. Daher möchte ich meinen Kommentar zum Koalitionsvertrag insbesondere diesem Thema widmen.

 

Als brennender Europäer schien Martin Schulz der Richtige zu sein, um neue europäische Zukunftsideen in den Koalitionsvertrag zu integrieren und für mehr europäische Zusammenarbeit zu werben. Über das von ihm mit verhandelte Resultat kann man sich streiten. Jeder ist dafür verantwortlich sich selbst ein Bild zu machen.

Einen „neuen Aufbruch für Europa“ erkenne ich in dem so betitelten Abschnitt keinesfalls. Dass man mit dem Abschnitt über Europa beginnt ist wichtig. Ich befürworte auch, dass man gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorgehen, das Europäische Parlament stärken und Großunternehmen endlich gerecht besteuern möchte. Allerdings fehlen nicht nur bei diesen, sondern bei fast allen guten und wichtigen Punkten konkrete Ausführungen, darüber wie man dies umzusetzen versuchen wird. Beispielsweise die Jugendarbeitslosigkeit: Diese wird sich nicht einfach durch das Bereitstellen von mehr Mitteln in Luft auflösen. Anstatt hier näher auf die Bekämpfungsmaßnahmen eingegangen wird, geht man lieber zum nächsten Spiegelstrich über. Wurden im Bundesparteitagsbeschluss noch Punkte wie die Bekämpfung von Kinderarmut in Europa oder die Forderung nach einer neunen europäischen Asyl- und Migrationspolitik als zwingende Voraussetzungen für das Ausloten zugunsten einer möglichen Regierungsbeteiligung genannt, so tauchen diese Aspekte in keiner der darauffolgenden Papiere mehr auf. Man hat es zwar geschafft Teile des Beschlusses in das Sondierungspapier und auch in den Vertrag mit einzubringen, dabei wurden diese Punkte jedoch auch hier nicht näher ausgearbeitet, hier fehlt es ebenfalls an den Umsetzungsvorstellungen.
Oftmals liest man nicht davon, dass die einzelnen Punkte umgesetzt „werden“, sondern nur davon, dass man sie umsetzen will. Offensichtlich wissen selbst die Unionsparteien, dass die Europäische Union für Deutschland ein wichtiger Garant auf Frieden, Sicherheit und Wohlstand ist, jedoch „wollen“ sie erkennbar nicht mit demselben Nachdruck wie wir diesen Auf- und Umbruch für Europa, da man sich sonst über die Konkretisierung einig wäre. Auf mich hat es den Eindruck, die möglichen Koalitionsparteien wollen aus den unterschiedlichsten Gründen möglichst viele Themen beim Namen nennen, damit sie schlagwortartig auftauchen, ohne sich inhaltlich weiter über die konkreten tiefergehenden Inhalte streiten zu müssen. Schon klar, die Zeit drängt! Deutschland braucht seine Regierung! Doch hat uns die Vergangenheit mehr als einmal gezeigt, dass wir auf leere Floskeln der Unionsparteien nicht weiter hereinfallen dürfen. Wenn man in einem Papier, wie in diesem Koalitionsvertrag nur grobe Zielvorstellungen vorfindet, existiert kein Garant dafür, dass man sozialdemokratische Ideen umsetzen können wird. In der Vergangenheit haben sich die CDU/CSU schon bei inhaltlich wesentlich detailreicher festgelegten Punkten quer gestellt und uns dumm aussehen lassen. Vage Formulierungen lassen einen breiten Beurteilungsspielraum. Ein solcher ermöglicht es den Verhandlungsparteien entsprechend ihren Vorstellungen das Vertragsergebnis zu interpretieren und zu verbiegen. So hat Niemand eine Anspruchsgrundlage für etwaige Umsetzungsforderungen.

Mir fehlt schlicht die sachliche Bestimmtheit. Handelt es sich mal nicht um ausdruckslose Vorstellungen darüber, was man umsetzen möchte, sieht man sich mit wiederholenden Bekenntnissen auf bereits etablierter Grundwerte konfrontiert. Anders als ursprünglich noch im Sondierungspapier gefordert, enthält der ausgehandelte Vertrag keine Bestimmungen über das Prinzip, dass das Land des Gewinns auch das Land der Besteuerung zu sein hat. An einer Antwort auf die Forderungen von Macron und Juncker fehlt es ebenfalls. Aus der deutschen Verantwortung heraus, sind wir insbesondere unseren europäischen Nachbarn gegenüber eine klare Vorstellung darüber, wie die Europäische Gemeinschaft in ein paar Jahren unserer Meinung nach aussehen soll, schuldig. Gerade in solch aufwühlenden Zeiten wie diesen. Die Erneuerung des Élysée-Vertrages ist sicherlich einer der positiveren Punkte des Koalitionsvertrages. Doch wie die Köpfe, die ihn verhandelt haben selbst schon erkennen mussten, stellt diese Neuauflage nur einen allerersten Schritt dar.

Es bleibt festzuhalten, dass der Abschnitt über Europa zwar in vielen Aspekten ein Schritt in die richtige Richtung ist, jedoch kein neuer Aufbruch für Europaist. Unklar umschriebene Spiegelstriche sind für mich kein Verhandlungserfolg! In Anbetracht dessen, kann mich dieser Aufbruch für Europa nicht überzeugen für die GroKo zu stimmen.

Von Robin Helmstädter

 
 

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